Wera Mychaijlowna Egorowa, Masylyschky (bei Oschmjany), geb. 30. 6. 1943

„Die Kinder haben Typhus – oh, da sprangen die Deutschen schnell zurück, aus Angst, sich anzustecken.“

Wera Michajlowna Jegorowa

Als die Deutschen da waren, lebte meine Familie im Tabor, im Wald. Dort hatten sie Zelte aufgestellt. Tagsüber ging meine Mutter mit ihrer Schwester in ein Dorf, irgendwo in der Nähe von Minsk, um wahrzusagen.

Sie übernachteten dort im Haus ihrer Cousine.

Dort aßen sie, unterhielten sich und waren fröhlich.

Als sie am nächsten Morgen gingen, kamen die Deutschen in einem Auto. „Ihr seid Partisanen“, sagten sie. Meine Mutter und meine Tante begannen, um ihr Leben zu bitten. „Wir haben kleine Kinder, wir machen nichts Unrechtes….“ Die Deutschen ließen sie gehen. Aber kurz darauf kamen Polizisten (Angehörige der weißrussischen Hilfspolizei, Anm. des Projektteams). Kann sein, dass auch die Gestapo dabei war. Und sie sagten: „Das sind Partisanen!“

Die beiden fingen wieder an zu betteln, aber es half nichts. Meine Mutter bat nur noch darum, dass man ihr mit einem Tuch die Augen verbinden möge. Und dann haben sie ihr in den Rücken geschossen und sie getötet. Meine Tante hingegen ließen sie frei. Sie hatte eine sehr helle Haut, sie sah nicht aus wie eine Romni. Eine Woche lang ging sie durch den Wald, zurück zum Tabor. Wir blieben bei meinem Vater. Eines Tages nahmen die Deutschen ihm das Pferd ab. Er ging ihnen hinterher, bat darum, dass sie ihm das Pferd zurückgeben. Da ärgerten sie sich über ihn und schlugen so sehr auf ihn ein, dass er kurz darauf starb.

Da kümmerte sich meine Tante um mich und meine anderen Geschwister. Sie ging los, und als sie durch ihr Dorf ging, war ein deutscher Kontrollpunkt. Sie sprach einen Mann an und bat ihn, er solle sie als seine Ehefrau ausgeben. Sie bot ihm Geld dafür. Am Kontrollpunkt sagten die Deutschen: „Ausweis!“ (Wera Egorowa verwendet hier den deutschen Begriff, Anm. des Projektteams). Und dieser Mann zeigt seinen Ausweis. Er behauptet, die Frau gehöre zu ihm. „Und die Kinder?“ „Wir bringen sie ins Krankenhaus, weil sie Typhus haben.“ Oh, da sprangen die Deutschen zurück, weil sie Angst hatten, sich anzustecken, und ließen meine Tante schnell durch. Drei Jahre nach dem Tod meiner Mutter ging meine Tante in das Haus, in dem meine Mutter zuletzt übernachtet hatte. Diese Frau dort sah meine Tante und war ganz erschrocken. „Gott, was ist das? Bist du etwa ihre Schwester“? Und sie begann, ihr alles zu erzählen.

Die Tante ließ meine Mutter ausgraben und sie ordentlich in einem Sarg auf dem Friedhof bestatten. Der Priester versammelte viele Leute aus dem Dorf. Das war in Astraschytsky Gorodok. Ungefähr 18 Kilometer hinter Minsk. Wenn ich heute ein Bild von meiner Mutter haben könnte … ich würde viel Geld dafür geben. Denn ich erinnere mich ja nicht an sie, auch nicht an meinen Vater.